«Ein Berner Sennenhund bellt lauter, freut sich gewaltiger, trauert tiefer, schmollt heftiger, widersetzt sich energischer. Für einen Berner Sennenhund genügt der kleine Finger nicht. Er braucht die ganze Hand, nein, beide Hände, den gesamten Menschen.» (Prof. Dr. Bernd Günter). Hinter dem robusten Äusseren des Berner Sennenhundes verbirgt sich ein empfindsames und liebevolles Gemüt, das ihn gerade in unserer hochtechnisierten Welt zu einem ganz besonderen Partner macht. Kaum eine andere Hunderasse ist so auf den Menschen bezogen, wie der Berner Sennenhund. Nähe, Zärtlichkeit und Kontakt zum Menschen sind für ihn äusserst wichtig, und diese Verbundenheit zum Menschen zeigt er auch! Vornehme Zurückhaltung kennt er nicht. Er zeigt seine Gefühle und drückt seine Zuwendung lebhaft aus, oft ungestüm, doch immer auch lenkbar. Er fühlt sich nur wohl bei seinen Leuten, von denen er nicht nur viel Zuneigung, sondern auch eine sinnvolle Beschäftigung und eine liebevolle, aber konsequente, Führung verlangt. Die Zuwendung und Aufmerksamkeit seiner Menschen bedeuten ihm alles.
Dem einzigartigen, gutmütigen und menschenfreundlichen Wesen muss weiterhin viel Beachtung geschenkt werden. In den letzten 100 Jahren hat sich das Leben des Berner Sennenhundes stark verändert. Vom einstigen Bauernhund hat er sich zum vielseitigen Familien-, Begleit- und Sporthund entwickelt und sich in der Gesellschaft einen ganz neuen Stellenwert geschaffen. An die psychische Belastbarkeit und ans Nervenkostüm werden heute viel höhere Erwartungen gestellt. In der Schweiz lebt der heutige Berner Sennenhund mehrheitlich in einem eher dicht besiedelten Umfeld. Täglich trifft er auf fremde Personen und Artgenossen. Der Wachtrieb ist nicht mehr gross gefragt, dafür muss ein Hund gut sozialisiert, freundlich und sicher gegenüber fremden Menschen und verträglich mit anderen Tieren sein. Die immensen optischen und akustischen Umwelteinflüsse dürfen ihn nicht aus der Ruhe bringen. Die Freiheit des Hundes wird immer mehr eingeschränkt und die Toleranz der Nichthundehalter gegenüber Hunden sinkt von Jahr zu Jahr. Der heutige Berner Sennenhund muss also absolut anpassungsfähig sein, ohne seine Eigenständigkeit und seine Sicherheit zu verlieren. Ein Berner Sennenhund, der sich interesse- und teilnahmslos verhält und keine Aktivität und keine Eigeninitiative zeigt, entspricht nicht dem erwünschten Zuchtziel, genauso wie einer, der hibbelig, nervös und unkonzentriert ist.
Was Hans Stadtmann in der Blässi-Post, Dezember 1956 über das Wesen des Berner Sennenhundes zusammengefasst hat, hat auch heute immer noch grosse Gültigkeit:
Temperament
Beweglichkeit physischer und psychischer Art sollte beim Berner Sennenhund mittel bis hoch entwickelt sein.
Mut
Damit ist der Mut in friedlicher Situation gemeint, dass sich der Hund gegenüber Umwelterscheinungen wie z. B. Lärm, Eisenbahn, Donner, Schüsse, Verkehr usw. sicher und ruhig sich verhält. Er soll sich auch gegenüber Fremden eher zugänglich zeigen. Für unsere Hunde sollte diese Eigenschaft hoch bis sehr hoch entwickelt sein.
Härte
Unter Härte verstehen wir den Widerstand, der ein Hund unlustbetonten Einwirkungen entgegensetzt. Hier liegt das Zuchtziel bei mittel bis hoch.
Misstrauen
Diese Eigenschaft sollte bei unseren Hunden nur sehr minim entwickelt sein. Solche Hunde sehen in allem «Neuen und Ungewohnten» eine Gefahr, suchen sich in Respektdistanz zu halten (Selbsterhaltungstrieb, Gegenteil zum Mut)
Führigkeit...
Führigkeit
Die Bereitschaft, sich zu unterordnen, zu folgen. Eine mittlere bis hohe Entwicklung dieser Anlage ist das Ideal. Eine zu starke Unterordnungsbereitschaft ist eher unerwünscht, weil dadurch die selbständige Durchführung von Arbeiten (Such- und Stöberarbeiten usw.) in Frage gestellt werden kann.
Ausdauer
Diese Eigenschaft sollte auch bei unseren Hunden hoch entwickelt sein.
Anhänglichkeit
Ist die seelische Bindung an den Herrn. Hoch bis sehr hoch ist wünschenswert, man muss sich aber vor Augen halten, dass eine zu starke Bindung oft zum Problem werden kann, dann nämlich, wenn eine Trennung (frei ablegen bei Prüfungen) oder das Warten vor einem Geschäft vom Hund verlangt werden müssen.
Schutztrieb
Ein ausgesprochen sozialer Trieb, seinem Herrn, seiner Familie beizustehen, oder sein Haus und Hof zu verteidigen. Dieser Trieb muss hier hoch bis sehr hoch entwickelt sein.
Schärfe
Unter Schärfe versteht man ein Gemisch zwischen Misstrauen und Aggressivität, die Bereitschaft also, auf Umweltreize sofort feindselig zu reagieren. Der Selbsterhaltungstrieb spielt hier eine grosse Rolle, deshalb steht die Schärfe auch in einem gewissen Gegensatz zum Mut. Hier ist nur eine mittlere Veranlagung nötig.
Der Berner Sennenhund und Kinder
Süsse Bilder von kleinen Kindern mit einem stämmigen Bäri erwecken oft den falschen Eindruck, jeder Berner eigne sich als Knuddelbär oder lebendiges Spielzeug für Kinder. Die meisten Berner Sennenhunde sind extrem gutmütig und tolerant Kindern gegenüber. Dies hat aber nur bedingt mit seiner Genetik zu tun, sondern ist zusätzlich abhängig von seiner Prägung. Hunde, die vor allem während ihren ersten Lebenswochen, aber auch später, positive Erfahrungen mit Kindern machen durften, sind meistens äusserst kinderlieb. Durch Mangel- oder Fehlprägung, schlechte oder gar schmerzhafte Erlebnisse, kann auch der liebste und gutmütigste Berner Sennenhund gegenüber Kindern misstrauisch und abwehrend werden. Den Kindern der eigenen Familie gegenüber sind Berner Sennenhunde besonders gutmütig und nehmen sie gerne gegen vermeintliche und echte Gefahren in Schutz. Auch wenn Kind und Hund gut harmonieren, darf nie vergessen werden, dass sowohl Kinder wie Hunde unberechenbar sein können. Die Verantwortung liegt ganz bei den Erwachsenen. Um Unfälle zu vermeiden dürfen Kind und Hund niemals unbeaufsichtigt zusammen sein.